Kind fast mit dem Bad ausgeschüttet

Artikel in der AZ vom 18. Juni 2003 von Rahel Plüss

Aarau: Einwohnerrat sagte knapp Ja zur Weiterführung von "allons-y Telli!"

Eine Unterschriftensammlung spaltete den Aarauer Einwohnerrat: FDP und SVP sind zurzeit
gegen den Verpflichtungskredit in der Höhe von 260 000 Franken zur Weiterführung des Siedlungsentwicklungsprojektes. Ihr Rückweisungsantrag wurde knapp abgelehnt.

Noch bis Anfang dieses Monats herrschte Einhelligkeit in den Reihen des Aarauer Einwohnerrates, wenn es um "allons-y Telli!" ging. An der letzten Sitzung der FGPK standen alle Mitglieder einstimmig hinter eine Weiterführung des Siedlungsentwicklungsprojektes. Davon berichtete ein etwas erstaunter Stadtammann an der Einwohnerratssitzung am Montagabend. Denn das war erst am Schluss einer eineinhalbstündigen Debatte über das Telli-Projekt. Die FDP Fraktion wartete nämlich gleich zu Beginn des Traktandums 7 mit einem Rückweisungsantrag auf. So musste denn der Antrag des Stadtrates auf einen Verpflichtungskredit in der Höhe von 260 000 Franken für die Verlängerung von "allons-y Telli!" um zwei Jahre für einen Moment beiseite gelegt und zuerst über dessen Rückweisung befunden werden.

Ungenügende Informationspolitik
Die Sache zum Brodeln gebracht haben die Sammlung von 102 Unterschriften von Grundeigentümerinnen und -eigentümern der Wohnzeile A betreffend "Telli Park" (vgl. AZ vom 12. Juni) und ein Schreiben, das zuerst nur zuhanden der bürgerlichen Einwohnerratsparteien ging. FDP und SVP setzten sich am Montagabend denn auch geschlossen für die Rückweisung des Antrages ein. Peter Hasler warf dem Stadtrat im Namen der FDP-Fraktion eine ungenügende Informationspolitik vor. Er verlangte vom Stadtrat mit der Rückweisung Zeit für eine Situationsanalyse und einen Rapport im Frühling 2004. Dieser solle, einen Rückblick mit formulierten Zielen und Resultaten enthalten sowie begründen, weshalb eine Verlängerung vonnöten sei, was durchgeführt und auf welche Weise institutionalisiert werden solle. "Die Projektstruktur soll überprüft und eventuell auch personell hinterfragt werden", so Hasler. Marianne Bolliger-Erismann als Sprecherin der SVP-Fraktion ging noch weiter: "Wir hätten erwartet, dass der Stadtrat seinen Antrag zurückzieht, weil er die Probleme erkennt." Dabei sprach sie davon, dass kritische und engagierte Stimmen in der Telli nicht wahrgenommen würden, "allons-y Telli!" ist eine 'Pflästerlipolitik', die von der Bevölkerung nicht getragen wird." Ihr entgegen sprach Werner Schib für die CVP-Fraktion, die sich geschlossen für die Weiterführung des Projektes aussprach: "Es darf nicht sein, dass wegen eines negativen Punktes das ganze Projekt stirbt". Damit war man mitten in einer emotional geladenen Grundsatzdisskusion über das Projekt an und für sich, die nicht mehr viel mit dem Rückweisungsantrag zu tun hatte. Es wurden positive und negative Punkte genannt. Es war davon die Rede, ob denn die Telli das Projekt überhaupt nötig habe - und von verlorenem Vertrauen. Alles in allem wurde der Stadtrat in aller Deutlichkeit (nicht nur von den bürgerlichen Parteien) aufgefordert, nicht im gleichen Stil weiterzumachen, sondern nochmal über die Bücher zu gehen. Oder wie Ruth Schiess (sp) sagte: "Die Suche nach einem Konsens muss weitergehen."

Aufwertung des Quartiers unumstritten
Er habe den kritischen Stimmen im Rat aufmerksam zugehört, begann Stadtammann Marcel Guignard sein Votum. Weiter sei dem Stadtrat bewusst, dass es eine Polarisierung gebe. Eine Aufwertung des Quartiers sei aber unumstritten, auch wenn das Projekt überdacht werden müsse. Dennoch könne man nicht "wegen eines Zwischenfalls das Kind mit dem Bad ausschütten". Dieser Meinung war der Einwohnerrat schliesslich auch - aber es wurde knapp. Sowohl der Rückweisungsantrag wie nachher der Antrag des Stadtrates spaltete den Rat in zwei Teile. Die SVP unterstützte den Rückweisungsantrag der FDP, die linke Ratsseite war dagegen. So wurde der Antrag des Stadtrates mit 22 zu 25 Stimmen nicht zurückgewiesen. Fast genau gleich fiel schliesslich das Resultat der Abstimmung über den Verpflichtungskredit aus. Mit 26 Ja- zu 20 Nein-Stimmen, bei einer Enthaltung, wurde er gutgeheissen.